|
StummfilmKonzerte So haben Sie Stummfilme noch nie gehört. |
Glossar
-
Kulturland Brandenburg 2011
„Goldene Zeiten Moderne in der Provinz“
100 Jahre Kino- und Filmgeschichte in Brandenburg
Filmreihe mit Stummfilmen und Tonfilmen aus der Frühphase der Babelsberger Filmproduktion
2011 feiert Kulturland Brandenburg die Grundsteinlegung der Babelsberger Filmstudios, deren Produktionen schon bald zu Weltruhm gelangten. In die Frühzeit dieser Aktivitäten fällt auch die Eröffnung vieler Kinos in Brandenburg, die das moderne Medium Film in der Provinz einer breiten Öffentlichkeit bekannt machten. Einige Standorte aus den Anfangsjahren existieren noch heute. So konnte für das Multikulturelle Centrum Templin e.V., das als ehemaliges Kino der Stadt noch immer einen wichtigen Kinobereich beinhaltet, bereits 1913 die erste Vorstellung nachgewiesen werden. In Anknüpfung an diese Tradition ist eine dreiteilige Filmreihe entstanden, die in Babelsberg oder im Land Brandenburg gedrehte Spiel- und Dokumentarfilme an regionale Kino-Standorte zurück bringt. Alle drei Programme empfinden zudem die historische Aufführungspraxis nach. Werbe- und Kulturfilme sowie die Wochenschau bilden das Vorprogramm, gefolgt von einem oder zwei Hauptfilmen, etwa dem frühesten, am Ruppiner See aufgenommenen Titanic-Film „In Nacht und Eis“ (1912) und dem im Binnenschiffer-Milieu angesiedelten „Schleppzug M 17“ (1933). Die Stummfilme werden wie damals üblich live am Klavier begleitet. Zu erleben sind einmalige und spannende Zeitdokumente, die Einblicke in das frühe Schaffen der Babelsberg Studios geben und zugleich Brandenburger Lokalkolorit vermitteln.
Kino der Zwanziger Jahre
Der Film trat in den Zwanziger Jahren als etabliertes, allerdings immer noch stummes Medium auf, das bis in die Gegenwart gültige Genres, Gestaltungs- und Präsentationsformen ausgebildet hatte. Am Beginn eines Programms stand ein Werbeblock mit Dias und Filmen, worauf sich die Wochenschau und ein Kulturfilm anschloss, ehe der Hauptfilm in der Regel ein Spielfilm als Höhepunkt dargeboten wurde. Auf der Höhe der Zeit zu sein bedeutete für das Kino, vor allem städtische Phänomene und Probleme kreativ aufzunehmen und zu verarbeiten. Die Handlung des Werbefilms „Mehr Milch“ benennt so die Nahrungsnot im wachsenden Berlin, um letztlich auf das gute Milchangebot durch die Großmeierei und Lebensmittelkette Bolle hinzuweisen. Die Rolle des Umlandes bei der Milchversorgung der Hauptstadt bleibt in diesem Zeichentrickfilm außen vor.
Als 1925 in den Ausstellungshallen am Berliner Funkturm die Kino- und Photo-Ausstellung (kurz Kipho) statt fand, blickte der Film erstmals auf sich selbst zurück. Der Kameramann Guido Seeber eng verbunden mit den Babelsberger Studios tat dies auf eigene kreative Weise und montierte einen experimentellen „absoluten Werbefilm“ für das Ereignis, in dem er Versatzstücke der bisherigen fotografischen und kinematographischen Leistungen zu beziehungsreichen Bildanordnungen zusammensetzte.
Nimmt der Kipho-Film in seinem Schnittrhythmus auch stark die urbane Dynamik auf, so war das Medium zugleich darauf aus, fremde Welten und abseitige heimische Gegenden filmisch zu erschließen. Unzählige Expeditions-, Städte- und Tourismusfilme entstanden. Ebenso gaben Orte und Landschaften Brandenburgs lohnende Motive für Dokumentarfilme ab vom verschollenen „Luftkurort Templin, die Perle der Uckermark“ (1926), über „Im Spreewald. Ein Bild deutscher Heimat im Wechsel der Jahreszeiten“ (1927) bis hin zu „Wanderfahrten in der Mark Brandenburg“ (1928-30). In letzterem werden auch scheinbar unbedeutende Kleinstädte wie Mittenwalde und Tangermünde in die Dramaturgie einer Reise von Ort zu Ort eingebunden, was den Film zu einem einmaligen lokalhistorischen Dokument macht.
Zur gleichen Zeit beschäftigte die Ufa-Studios in Neu-Babelsberg ein Großprojekt besonderer Art. Für „Asphalt“ (1929) war eine Berliner Hauptstraße mit Kreuzung und Autoverkehr in die Atelierhallen zu verlegen, da ein Vor-Ort-Dreh aus finanziellen und technischen Gründen ausschied. Regisseur Joe May und sein Architekt Erich Kettelhut lösten die immense logistische Aufgabe, indem sie Autos, ja sogar Doppelstuckbusse während der Aufnahmen durch die sechs Tore der geöffneten drei großen Mittelhallen nach einem exakten Plan im Kreis fahren ließen. Die imposanten Schaufensterfronten der Kulissenstadt richteten interessierte Firmen (Adler, Mercedes Benz) auf eigene Kosten ein, da sie sich durch den Film eine große Werbewirkung versprachen. „Asphalt“ ist in Ausstattung und Starappeal mit amerikanischen Großproduktionen durchaus vergleichbar. Die zeitgenössische Presse bemängelte zwar die einfache, gar weitschweifige Geschichte, doch nimmt das genaue Schauspiel von Betty Amann und Gustav Fröhlich bis heute gefangen.
„Mehr Milch!“, 1924, Werbe-Kunst-Film Berlin, Zeichentrick Curt Schumann, 3 min, Tonung/Virage
Berlin wächst und wächst, auch die Nahrungsnot wird größer. Doch die Großmeierei Bolle hat vorgesorgt, sie hat Milchhöfe und ein Filialnetz geschaffen. Werbefilm. „Klingel-Bolle heißt der Mann, der Berlin versorgen kann.“ (Zensurkarte)
„Film“ (Kipho-Film), 1925, Werbefilm GmbH Julius Pinschewer Berlin, Kamera und Simultanmontage Guido Seeber, 4 min, s/w
Experimenteller Werbefilm für die Kino- und Photo-Ausstellung Berlin, Ausstellungshallen am Funkturm, 25. September bis 4. Oktober 1925. „Ein Werbefilm dieser Art war noch nie da: er spricht zum Fachmann wie zum Laien mit gleicher Eindringlichkeit, er ist sachlich zugleich und voller Humor.“ (Korrespondenz für Wissenschaft und Technik im Film, 13/1925)
„Wanderfahrten in der Mark Brandenburg. Naturaufnahmen“, 1928-30, Hersteller unbekannt, 11 min, teilweise Tonung/Virage
Der seltene, erst 2010 im Bundesarchiv entdeckte Film streift vor allem durch kleinere Orte des Landes Brandenburg und darüber hinaus vom Spreewald über Eberswalde zum Kloster Chorin bis nach Neubrandenburg. Im Auto geht es dann von Berlin nach Potsdam und weiter in die Stadt Brandenburg, nach Tangermünde und Stendal.
„Asphalt“, 1929, Ufa, Erich Pommer-Produktion, Regie Joe May, Kamera Günther Rittau, mit Betty Amann, Gustav Fröhlich u. a., 93 min, s/w
Eine Berliner Hauptstraße, mitten auf der Kreuzung regelt Holk (Gustav Fröhlich) den dichten Autoverkehr. Bald wird er „Brillantenelse“ (Betty Amann) kennen lernen und sie des Diebstahls überführen. Am Ende des „Großstadtfilms“ stehen ein Toter, ein des Mordes Verdächtigter und ein glückliches Paar.
„Der Architekt bekommt zu tun. Amerikanische Großfilm-Super-Riesendimensionen für ein deutsches Spitzenwerk. So präsentiert sich die Straße, erbaut für den Film ‚Asphalt’ von Erich Kettelhut. Die Riesenhalle des großen Neu-Babelsberger Ateliers durchschneidet eine Straße. Mit Trottoirs, mit Läden […]. Die Ateliertüren öffnen sich. Dann öffnen sich hinten, rechts und links, die Atelierschiebetüren. Die Straße wird aufs Freigelände fortgesetzt. In ihrer Verlängerung die Fassaden eines Bureauhochhauses mit modernen, breiten Fenstern. Davor eine getreue Wiedergabe des Universumeingangs. Die Plakate machen Reklame für den Film ‚Asphalt’. Film im Film, eine amüsante Spielerei.“ (Hans Feld im Film-Kurier vom 3.11.1928)
|
Bilder: Filmmuseum Berlin
|