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Glossar
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Die Austernprinzessin
[Ernst Lubitsch, D 1919]
Die Austernprinzessin von Ernst Lubitsch und Mysterien eines Frisiersalons von und mit Karl Valentin stehen für zwei ganz unterschiedliche Spielarten der deutschen Stummfilmkomödie: Im ersten Fall handelt es sich um ein aufwendig choreographiertes, mit Bildwitz und Tempo inszeniertes Lustspiel, eine „sophisticated comedy“. Alles dreht sich um Sex und Reichtum, um Lug und Trug. Der Valentin-Film ist dagegen eine schnell und billig gedrehte Groteske, deren derber und ungehobelter Humor sich am Slapstick und am Volkstheater orientiert. Gemeinsam ist beiden Komödien der Anarchismus als komisches Prinzip, das Vergnügen am Regelverstoß, das Lächerlichmachen der Autoritäten. Ernst Lubitsch und Karl Valentin sind Meister ihres Fachs.
Ossi (Ossi Oswalda) ist die eigenwillige Tochter des steinreichen Austernkönigs und beharrt darauf, einen richtigen Prinzen zu heiraten. Ein Heiratsvermittler stellt den Kontakt zum völlig verarmten Prinz Nucki (Harry Liedtke) her. Doch bevor Ossi und Nucki zueinander finden, kommt es zu Mißverständnissen, Verwechslungen und Entgleisungen, einem Damenboxkampf, dem Ausbruch des Foxtrottfiebers und Alkoholexzessen. Lubitsch, der während des Ersten Weltkrieges in der Rolle des schlagfertigen jüdischen Lehrlings zum Publikumsliebling avanciert ist, tritt in Die Austernprinzessin nicht mehr selbst auf. Er ist aber trotzdem dauernd präsent. Sein Film hat die Leichtigkeit und Eleganz einer Operette; die Massenszenen sind virtuos inszeniert und haben die Bissigkeit einer Satire. Lubitsch bringt das Publikum nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Staunen über die visuelle Opulenz und wunderbare filmische Einfälle. Diese Qualitäten sind es, die den Jungen aus der Schönhauser Allee wenig später zu einem so gefragten Mann in Hollywood machen. Béla Balázs bewundert 1923 die „offenbare, absichtliche Selbstironie des Regisseurs“: „Denn die Quelle des Komischen liegt hier schon im Regiestil, der in einer Selbstverspottung besteht. Filmmoden und Filmmanieren werden entlarvt, bloß dadurch, daß sie ein wenig übertrieben werden.“ (Der Tag, Wien, 10.8.1923).
Philipp Stiasny
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Bilder: Filmmuseum Berlin
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