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Glossar
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Unheimliche Geschichten
Zu Weihnachten lehnt man sich gern zurück und lauscht den unheimlichsten Geschichten: Wenn die Nacht sich senkt, werden in einem Antiquariat drei auf Wandbilder gemalte finstere Figuren lebendig und entsteigen ihren Bilderrahmen. Der Tod (Conrad Veidt), der Teufel (Reinhold Schünzel) und die Dirne (Anita Berber) beginnen, sich gegenseitig albtraumhaft-poetische wie zutiefst schaurige Geschichten zu erzählen, in denen sie selbst immer andere Rollen innehaben. „Unheimliche Geschichten“ - sind fünf glänzend gespielte, spannende Einakter, die mal von Nacht und Nebel, mal von Geistern und Gespenstern handeln, barocke Villen mit beängstigend engen Räumen zeigen und die Zeit einfrieren.
Richard Oswald war ein ungemein produktiver und provokanter Einzelgänger des deutschen Films: Ein Verkaufsgenie, dessen Filme eine breite Genrevielfalt bedienten, der seine Filme selbst produzierte und seine Drehbücher selbst schrieb. Zwischen 1914 und 1936 wirkte er an 120 Filmen mit, von denen heute leider nur noch wenige erhalten sind. Dieser Umstand und die Abkehr der Filmwissenschaft vom Kanon mögen die Gründe dafür sein, dass Richard Oswald erst in den letzten Jahren einen würdigen Platz in der deutschen Filmgeschichtsschreibung zuerkannt bekam.
Oswald liebte das populäre Kino und verehrte sein Publikum, setzte auf Schaulust, Spektakel und Unterhaltung. Als Genrefilmer schlachtete er erfolgreiche Filmstoffe aus, kopierte sie einfach oder machte sie zu Serien. In den 10er Jahren waren das hauptsächlich Detektiv- und Kriminalfilme, Melodramen, Sozialdramen, Aufklärungs- und Sittenfilme und eben phantastische Filme. Mit seinen schauerromantischen Filmen („Hoffmanns Erzählungen“, 1916, „Unheimliche Geschichten“, 1919, „Nachtgestalten“, 1920) sprang Oswald auf eine Welle früher Kunstfilmversuche in Deutschland auf, die mit dem Namen Paul Wegener verbunden ist. Wegeners düster-phantastische Märchenfilme (z.B. „Rübezahls Hochzeit“, 1916, siehe auch den bereits in den Stummfilmkonzerten gezeigten Wegener-Film „Der Golem“, 1920) übersetzten den deutschen Märchen- und Legendenschatz in richtungsweisende Filmtechniken und „verkauften“ sich gleichzeitig als erkennbar deutsche Produkte. Das Kino eroberte sich neue Inhalte und Bilder, was seine ästhetische Legitimation in bürgerlichen Kreisen nach sich zog.
Oswald hingegen verstand sich als Filmhandwerker, nie als wie man heute sagen würde „Autorenfilmer“. Der Film „Unheimliche Geschichten“ basiert auf dem damals bereits überholten Erzählmodell des Einakters. Seine Effekte bezieht er weder aus der romantischen Phantastik, noch aus dem märchenhaft Unheimlichen wie Wegener, sondern, wie Jürgen Kasten treffend zeigt, durch die Anordnung der einzelnen Geschichten „auf Momente des thrills“ hin. Dieses Spiel mit altbekannten filmischen Mustern und der Erwartungshaltung des Zuschauers dürfte für die besondere Form der „Unheimlichen Geschichten“ ebenso ausschlaggebend gewesen sein wie der phantastische Stoff selbst. Einem zeitgenössischen Kritiker entging diese besondere Qualität des Genrefilmers Oswald. In seiner Kritik beschreibt er nur die Vorzüge des neuen Filmstoffs: „Wie sehr verblassen neben der Phantastik, dem bunten Wirbel dieser wirklich spannenden Begebenheiten, die langatmigen und, leider muß es gesagt werden, oft auch recht langweiligen Salonfilme und literarischen Filme, die der Filmkunst noch immer viele Gegner erhalten. Theater und Kino werden stets völlig getrennte Welten bleiben, und den Filmfabrikanten, die im Zuge sind, die gesamte Weltliteratur nach und nach auf die Leinwand zu bannen, kann diese neue Filmschöpfung als Beispiel für eine glückliche Stoffwahl empfohlen werden.“ (L.B., in: Der Kinematograph, 12.11.1919)
Jürgen Dittrich
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Filmbilder: Filmmuseum Berlin
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